Rede der FÜR Gemeinderätin Dilek Toy zum aktuellen Entwurf des FNP 2030

 

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer,

zuerst möchte ich mich bei all den Menschen bedanken, die am Freitag auf dem Bahnhofsvorplatz  für den Erhalt von sehr wertvollen Grünflächen , Ackerflächen, Frischluftentstehungsgebieten und Frischluftschneisen, Streuobstwiesen und den Schutz seltener Tierarten,  kurz für ein lebenswertes Esslingen demonstriert haben.  All diese Menschen setzen sich mit Herzblut für die Allgemeinheit und für zukünftige Generationen ein. Sie engagieren sich für den Erhalt unserer Lebensgrundlagen. Dafür ein herzliches danke schön.

In der heutigen Sitzung soll erneut der Entwurf des neuaufgestellten FNP und somit die unwiederbringliche Zubetonierung wertvoller Freiflächen beschlossen werden. Ungeachtet dessen, was die Mehrheit der Bevölkerung möchte, ungeachtet der zahlreichen Kritiken aus der Bevölkerung und von den Bürgerausschüssen und vor allem ungeachtet dessen,  wie die objektive Realität in der Umweltfrage aussieht. Wir befinden uns mitten in einem beschleunigten Umschlag der Umweltkrise in eine globale Umweltkatastrophe. Mit dem Entschluss wird die Umweltkrise mutwillig und sehenden Auges vorangetrieben für die Profitinteressen der Bauwirtschaft. Denn Betongold  wirft derzeit besonders hohe Rendite ab.

Eine Reihe problematischer Flächen wurde aus dem FNP-Vorentwurf herausgenommen. V. a. der größte Teil der Nachrückerflächen. Wir sehen das als Erfolg der kämpferischen Umweltbewegung.  Bspw. wurde in Oberesslingen ein großes Gebiet mit Streuobstwiesen vor der Bauwut gerettet. –  Aktiver Widerstand zeigt Wirkung – das ist eine wichtige Lehre für die Zukunft der Umweltbewegung. Aber damit können wir uns keinesfalls zufrieden geben.  Denn natürlich sind nach wie vor noch die gröbsten Umweltsünden im FNP enthalten: Frischluftschneise Greut, VFL Post, fruchtbare Ackerflächen in Berkheim, Kaltluftentstehungsgebiete usw. usw.

Neu hinzugekommen ist z.B.  der Pfarrwiesenweg in Hegensberg ein wichtiges  Kaltluftentstehungsgebiet mit Streuobstwiese und  mit wertvoller Biotopstruktur. Im Gebietssteckbrief heißt es lapidar: Die  Fläche ist aus Umweltsicht zur Bebauung nicht empfehlenswert. Aber das kümmert die Stadtverwaltung natürlich nicht. Hier wird rücksichtslos entgegen der eigenen Empfehlung gehandelt.

 

Ich werde heute nicht wieder alle fachlichen Argumente gegen eine Bebauung aufzählen, denn sie wurden oft genug ausgetauscht. Beispielhaft ist hier die Arbeit der Bürgerinitiative Rettet das Greut. Sie hat mit erdrückenden Beweisen die Gefälligkeitsgutachten der Stadt widerlegt und bietet immer neue wissenschaftliche  Untersuchungsergebnisse an. Es zeigt sich:  Appelle an die Vernunft bringen nichts, wenn sie mit politischen und Profitinteressen kollidieren, wie es hier der Fall ist. Alle Scheinargumente der Stadtverwaltung wie „die Bebauung diene der Linderung  der Wohnungsnot“ oder der Unterbringung von Flüchtlingen wurden widerlegt. Die Mieten in den neu gebauten Wohnungen werden mindestens 10 bis 14 € pro Quadratmeter betragen. Das heißt diejenigen, die die Wohnungen am dringendsten bräuchten können sich diese gar nicht leisten. Auch in Esslingen sinkt die Zahl der Sozialwohnungen.

Wo die Spitze der Stadtverwaltung und die etablierten Parteien SPD, CDU, FW und Grüne in der Frage von bezahlbarem Wohnraum und Wohnungspolitik stehen, können wir aktuell am Beispiel der  EWB Wohnungen in der Badstr. In Berkheim sehen. Die Mieten sollen mit Beschluss des Aufsichtsrats um bis zu 20%  erhöht werden. Die EWB ist zu 50 % in städtischer Hand und im Aufsichtsrat sitzen der OB und Gemeinderatsmitglieder von SPD, CDU, FW, Grüne. Gemeinsam treiben sie die Mieten der wenigen günstigen Wohnungen  in die Höhe anstatt neue Sozialwohnungen zu bauen z.B. in der Weststadt. Mieter, die sich wehren werden zudem überheblich als unsozial bezeichnet. Die EWB ist zugleich zu 50% in der Hand von großen Betrieben und Konzernen wie Daimler, Festo und Eberspächer, die wesensbedingt erhöhte Rendite haben wollen – von Rentnern, allein erziehenden, arbeitslosen usw. Ist das etwa sozial?

Zur Bekämpfung der Wohnungsnot ohne massive Flächenversiegelung wurden hier von verschiedenen Seiten zahlreiche Vorschläge zum Wohnraummanagement gemacht aber nichts davon wurde bisher umgesetzt. Wenn jetzt ein Wohnraummanager  eingestellt wird, dann begrüßen wir das ausdrücklich. Wir sind zuversichtlich, dass dabei zahlreiche gute Vorschläge entwickelt werden, die die massive Bebauung über den bisherigen Stand hinaus Überflüssig machen. Auch das ist ein wichtiger  Grund die Beschlussfassung über den vorliegenden Entwurf zum Flächennutzungsplan zu vertagen.

Fazit:

Mit der Zustimmung zum FNP Entwurf werden  die Verantwortlichen im Gemeinderat objektiv zum Dienstleister für die nach profitablen Anlagemöglichkeiten suchenden Immobilienagenturen, für die Bauwirtschaft und  für Spekulanten. Mit dem Beschluss des FNP vervielfacht sich der Wert der Grundstücke, ohne dass die Besitzer einen Finger dafür krumm gemacht haben.

Zugleich  bedeutet der Beschluss  wachsende Umweltzerstörung, steigende Hochwassergefahr, Gesundheitsgefährdung der Stadtbevölkerung – sogar Tote z. B. durch Hitze oder  als Folge chronischer  Erkrankungen, weitere Klimaerwärmung und nicht zuletzt immense Minderung von Lebensqualität  und Lebensfreude von Menschen.

Ohne uns! Wir stimmen dagegen bzw. beantragen die Vertagung des Beschlusses. Die Bevölkerung möchte ich ermutigen an ihren berechtigten Forderungen festzuhalten, sich zu organisieren  und ihren Protest  verstärkt fortzusetzten. Kein Beschluss ist unumkehrbar.

 

Vielen Dank!