Rede zum Haushalt 2017 von Dilek Toy

Sehr geehrter Herr Dr. Zieger, sehr geehrte Stadträtinnen und Stadträte!

Das nüchterne Fazit aus dem 800 – seitigen Haushaltsplan lautet: „Aus finanzwirtschaftlicher Sicht erfüllt der vorliegende Entwurf des Haushaltsplans 2017 nicht die Voraussetzungen für einen ausgeglichenen Haushalt“. Die liquiden Mittel sinken um 31,5 Mio. €. Rückstellungen werden in Höhe von ca. 17,2 Mio. € aufgelöst. Die Rücklagen sinken um 12,2 Mio. In zwei Jahren werden die Rücklagen und die liquiden Mittel völlig aufgebraucht sein. Noch längst nicht vollständig eingerechnet sind die Kosten für den Neubau der Brücken und die Schulsanierung. Vom Abbau der Schuldenlast kann schon gar keine Rede sein. Dies hat die Verwaltung in ihrem Haushaltsentwurf selbst dargestellt. Aber was ist die Ursache und was ist die Lösung dieses Marsches der Stadt  in immer höhere Schulden? Heute geht es hier um eine strategische Debatte, die diesen Namen verdient. Dazu hier ein Beitrag:

Ein Finanzloch ohne Boden sind insbesondere die Verkehrsausgaben. Für Brückenerneuerung, Straßenbeläge, Südtangente, Planung und Entwicklung sollen über 10 Mio. Euro ausgegeben werden – allein in diesem Jahr. Aber die richtig großen Ausgaben kommen noch.

Das Mittel der Stadt dagegen ist immer gleich: Ausverkauf von ständig mehr Eigentum der Gemeinde an private Investoren. Über 20 Mio. € werden allein von 2015 bis 2017 auf diese Weise eingenommen, bzw. genauer gesagt verschleudert.

Ist das das Schicksal der Gemeinden? Müssen sie zu Betonwüsten werden ohne Frischluft, nur um das umweltschädigende Verkehrssystem aufrechtzuerhalten?

Nein. Auch beim Verkehr muss das Verursacherprinzip angewandt werden: Wenn man bedenkt, dass ein Laster mit 40 t so viel Brücken und Straßen kaputt macht, wie 4000 PKWs (bei Schwerlastern ist das Verhältnis noch drastischer) , wird deutlich: Hier findet eine Umverteilung von den Ausgaben der größten Konzerne auf die Bevölkerung statt. So muss die Stadt die volle Übernahme der Kosten des Festo-Knotens fordern (das sind 2,4 Mio Euro über mehrere Jahre), außerdem die ca. 70 prozentige Zahlung der Konzerne für die Brückensanierung und Brückenerneuerung. Hierfür lohnen sich Verkehrszählungen, um die Kostenverursacher festzustellen.

Staus sind keine Lebensqualität. Auch eine 6-spurige B 10 durchs Neckartal ist keine Lebensqualität. Zu Recht wehrt sich die Stadt gegen so ein Ansinnen des Bundesverkehrsministeriums. Die ganze Verkehrsplanung muss weg von den Zielen von immer mehr Auto- und LKW-Verkehr. Deswegen müssen die Zahlungen für Stuttgart 21 eingestellt werden, die noch mehr Verkehr auf die Straßen verlagern, weg vom öffentlichen Nah- und Regionalverkehr. Stadt und Land würden allein dadurch enorm viel sparen und einen Beitrag zu mehr Lebensqualität leisten.

Aber dies sind noch peanuts gegen das eigentlich Notwendige. Man bedenke nur, dass jedes Auto 2 – 3 Stellplätze verbraucht: bei der Wohnung, bei der Arbeit, bei Einkauf und Kultur…. Wir brauchen also den Übergang zu einem Öffentlichen, nicht an den Privatbesitz eines Autos gebundenen Verkehrssystem mit einer Mischung aus kostenlosem öffentlichem Nahverkehr und der Zurverfügungstellung von individuell nutzbaren Autos auf Brennstoffzellenbasis. Der Güterverkehr muss weitestgehend wieder auf Schiene und Wasser verlegt werden. Dazu gehört nicht zuletzt auch ein Stopp der Zersiedlung der Landschaft.

Das ist auch ein Beitrag gegen Smog, Hitzetode in der Stadt und die Zunahme von schwerwiegenden Lungenerkrankungen und weiteren Folgeerkrankungen. Als Sofortmaßnahme schlagen wir vor: Bei Feinstaubalarm kostenloser öffentliche Nahverkehr.

Die viel gerühmte „strategische Haushaltskonsolidierung“ der Stadtverwaltung ändert dagegen nichts Grundsätzliches. Die meisten Beschlüsse der strategischen Haushaltskonsolidierung gehen zudem in die falsche Richtung – nämlich auf Kosten der breiten Bevölkerung, der Kinder und Jugend. Nach dem Motto: Die kleinen schröpft man, die großen lässt man laufen, bzw. Privatunternehmen werden bezuschusst auf Kosten der Mehrheit der Bevölkerung.

Wir sind der Meinung hier muss ein Richtungswechsel stattfinden. Statt Kürzungen im sozialen Bereich – Zukunftsinvestitionen für Kinder, Jugendliche, Frauen, Arbeit und Umwelt!

Zu den Sozialausgaben: Für Esslingen respektiert die hohen Ausgaben, die die Stadt auf diesen Gebiet leistet. Nicht zuletzt werden für die Flüchtlingsunterbringung Finanzen und andere Mittel zur Verfügung gestellt. Das begrüßt FÜR Esslingen. Vor allem begrüßen wir das große Engagement von unzähligen Bürgern und Bürgerinnen in der Flüchtlingshilfe, in der Vesperkirche  und vielem mehr. Ohne diesen Einsatz wäre das soziale Miteinander und die Herzlichkeit in unserer Stadt um vieles ärmer.

Im sozialen Bereich fordert FÜR Esslingen:

– Eine Vollzeitstelle fürs Frauenhaus (Verein Frauen helfen Frauen)

– Eine zusätzliche Kraft für eine städtische Schuldnerberatung (Wartezeit derzeit bis zu einem Jahr

– Ausbau der Traumatherapie für Flüchtlinge

– und Ausbau der Schulsozialarbeit

Dafür wäre genug Geld da, wenn man nur  auf die Subventionierung der privaten, Kindergärten verzichten würde. Allein Giant Leap, Daimlerkindergarten, Konzept – i, und Be:BI erhalten zusammen über 3,8 Millonen €. Es ist nicht einzusehen, dass  private Unternehmen aus Steuergeldern unterstützt werden. Stattdessen, sollen die Gelder für den Ausbau der Städtischen Einrichtungen verwendet werden.

Zur Umwelt:

Wir von FÜR sind der Meinung, es ist besser, die natürlichen Lebensgrundlagen der Bürger gar nicht erst zu zerstören sondern von vornherein zu pflegen und zu erhalten.

So ist angesichts der Erhaltung der Qualität von Böden, der Fauna und der gesamten ökologischen Grundlagen der Stadt sinnvoll, Naturschutzgebiete, Frischluftschneisen, Sportplätze und Grünanlagen nicht zur Bebauung freizugeben, sondern sie zu erhalten.

Wir fordern:

Keine Bebauung des Greut, des Sportplatzes in der Pliensauvorstadt und Erhalt aller Bäder Esslingens!

Bei Feinstaubalarm kostenloser öffentliche Nahverkehr.

 Zu den Arbeitsplätzen:

Aktuell sind laut Stellenplan 160 Planstellen bei der Stadt nicht besetz. Hier müssen die Stadt und die städtischen Eigenbetriebe mit gutem Beispiel vorangehen und mit unbürokratischen Maßnahmen ideenreich die offenen Stellen besetzen und neue Arbeitsplätze für Arbeitslose und Flüchtlinge schaffen. Wir können nicht von der Industrie die Beschäftigung von Flüchtlingen fordern und in der Stadt Arbeitsplätze abbauen.

FÜR ESSLINGEN fordert außerdem den Ausbau von Ausbildungsplätzen, um langfristig das Defizit zwischen Planstellen und besetzten Stellen zu reduzieren. Zudem soll zu diesem Zweck den Auszubilden grundsätzlich eine unbefristete Übernahme erfolgen. Bei der Besetzung offener Lehrstellen muss unbedingt geprüft werden, welche Lehrstellen auch von Flüchtlingen besetzt werden können, um diese besser in die Gesellschaft einzubinden und Sprachbarrieren abzubauen. Das ist allemal besser, als sie von vornherein zu Hartz 4 Empfängern zu verurteilen.

Also Neueinstellungen, mehr Ausbildungsplätze bei der Stadt  besonders im Bereich Kitas, Grünflächenamt, Straßenbau und öffentlicher Nah- und Regionalverkehr – statt  Fremdvergaben. Diese führen immer als erstes zu Entlassungen und Lohnkürzungen. Das verschlechtert noch die städtischen Finanzen.

Die konstruktiven Vorschläge von FÜR Esslingen zur strategischen Haushaltskonsolidierung wurden weitgehend abgelehnt. Immerhin wurde der Vorschlag von FÜR zur Umschuldung hochverzinster Darlehen aufgegriffen. Wir halten weiter an der Forderung nach Erhöhung des Gewerbesteuerhebesatzes auf 420 Punkte und an der Streichung der Subventionen für private Kinderbetreuungseinrichtungen fest. Allein diese beiden Maßnahmen würden 8,3 Million € einbringen.

Weitere Sparpotentiale sehen wir in folgenden Punkten: Einsparungen im Teilhaushalt Oberbürgermeister in Höhe von 52.668 Euro entsprechend dem Beschluss zur Strategischen Haushaltskonsolidierung.

Insgesamt scheint uns die Besoldung im oberen Viertel der Verwaltungsspitze durchaus üppig und passt so gar nicht zu der von Herrn Rust gepredigten Bescheidenheit. Hier gilt eher das Wort von Heinrich Heine: Sie predigten öffentlich Wasser und tranken heimlich Wein.

Die Große Koalition hatte eine Stärkung der Gemeindefinanzen versprochen, aber davon ist nichts zu spüren. Den Kommunen werden wie bisher neue Aufgaben aufgeladen, aber die Finanzierung wird nur teilweise vom Bund übernommen. (Beispiel U3 Betreuung, Flüchtlingsunterbringung usw.). Vollends empörend ist, dass jetzt die Grün – Schwarze Landesregierung auf der Jagd nach dem Phantom der schwarzen Null die Zuweisungen an die Kommunen kürzen will. Eigentlich müsste hier im Gemeinderat ein Sturm der Empörung losbrechen. Verschiedene Städte und Bürgermeister haben jedenfalls lautstark dagegen protestiert.

Sehr geehrter Herr Dr. Zieger, sehr geehrte Stadträtinnen und Stadträte!

Mehr denn je ist ein breiter kommunaler Widerstand angesagt. Dafür wird sich FÜR Esslingen auch in Zukunft energisch einsetzen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!