Redebeitrag
zur Gemeinderatssitzung Doppelhaushalt 2020/2021
Mit dreimonatiger
Verspätung wurde der Doppelhaushalt
2020/ 2021 eingebracht. Die Verschiebung war nötig, weil im 2. Halbjahr
2019 die Gewerbesteuereinnahmen dramatisch eingebrochen waren – und zwar um
insgesamt 29 Millionen Euro. Hier zeigt sich erneut die Notwendigkeit einer
Gemeindesteuerreform, die die Unternehmen nach Umsatz besteuert und die den
Kommunen einen viel größeren Anteil am Steueraufkommen zuweist. Zumal ein
großer Konzern problemlos die Gewinne und damit die Gewerbesteuerzahlung klein
rechnen kann.
Herr Rust nennt drei
Schwerpunkte für den vorliegenden Haushalt: Sanieren, Investieren,
Konsolidieren. FÜR Esslingen nimmt dazu wie folgt Stellung
1. Rechtzeitig Sanieren
statt planieren!
Plötzlich wird von
der Stadtverwaltung das hohe Lied auf das Sanieren gesungen, nachdem es
jahrelang hieß „der Klang der Abrissbirne sei die wahre Zukunftsmusik“.
Tatsächlich wurde die Sanierung und Pflege der Infrastruktur über Jahre
sträflich vernachlässigt. Nur so konnte der beklagte Sanierungsstau überhaupt
entstehen. In vielen Fällen z.B. bei Brücken und Kanalisation wurde der Schaden
nicht rechtzeitig erfasst und vor allem nicht rechtzeitig vorbeugende
Sanierungsmaßnahmen ergriffen. Wie kann es z.B. sein, dass die Gefährdung der
Brücke am Landratsamt erst in letzter Minute erkannt wird und dann die
notwendigen Sanierungsmaßnahmen erstmal gegenüber dem Gemeinderat und der
Öffentlichkeit verheimlicht werden? Saniert wird bisher nur wenn es sich
absolut nicht mehr vermeiden lässt. Nicht selten werden dann die
Sanierungskosten absichtlich hochgerechnet um einen für die Bauwirtschaft profitträchtigen
Neubau zu rechtfertigen. Beispiel: Fachhochschule Flandernhöhe, Stadtbücherei.
FÜR Esslingen hat
sich bereits vor 10 Jahren gegen diese Wegwerfmentalität im Bauwesen
ausgesprochen und die Forderung aufgestellt „Sanieren statt planieren“ auch
weil das Sanieren ressourcenschonend, umweltfreundlich und Nachhaltig ist.
Entscheidend ist, dass in Zukunft rechtzeitig, kontinuierlich und
umweltfreundlich saniert wird. Neuartige Entwicklungen sollen unbedingt auf
Machbarkeit überprüft werden wie z. B. Carbon Beton um eventuell sogar den
Abriss der Brücken zu vermeiden oder wenigstens die Lebensdauer der 700 Jahre
alten mittelalterlichen Pliensaubrücke zu erreichen und nicht nur wie geplant
70 Jahre.
2. Investieren –
aber richtig!
Insgesamt werden im
Rahmen des Doppelhaushalts 70 Mio. Euro investiert. Natürlich ist Jeder Euro,
der in die Kinderbetreuung in die Bildung und in den Bau von Schulen und
Krankenhäuser investiert wird genau richtig. Gerade beim Bau der Schulen wird
aber viel zu kleinlich kalkuliert, sodass jetzt schon fraglich ist ob die
geplanten Räumlichkeiten ausreichen. Wir meinen, wenn schon gebaut wird, dann
sollte berücksichtigt werden, dass wir in Zukunft viel mehr Räume für kleinere
Klassen brauchen. Außerdem ist es ein untragbarer Zustand, dass z.B. in
einzelnen Räumen der Realschule Oberesslingen die PCB Grenzwerte weiterhin
deutlich überschritten werden und nach den Erfahrungen in der
Zollbergrealschule ist es äußerst fraglich, ob es gelingt die eh schon viel zu hohen
Grenzwerte zu unterschreiten. Es ist ein Unding, dass Schüler und Kleinkinder
immer noch in PCB belasteten Räumen unterrichtet werden bzw. sich aufhalten
müssen. Sehenden Auges riskiert die Verwaltungsspitze und die Mehrheit des
Gemeinderats die tägliche Vergiftung somit die gesundheitliche Schädigung der
Kinder und Jugendlichen. Wir dürfen nicht länger fackeln, die Schüler und
Kinder und natürlich das Personal müssen sofort anderweitig untergebracht
werden. Auch die Kinder in den Kindergärten Frühlingshalde (bis zu 345 ng/m3), Metzgerstraße
(bis zu 160 ng/m3) und die- Kita Birkenweg (bis zu 125 ng/m3) müssen evakuiert
werden bis alle Primärquellen gefunden und beseitigt sind. Denn das
Landesumweltamt NRW legt einen Toxikologischer Vorsorgewert von 100 ng/m3
zugrunde!
Die Kosten für diese
Maßnahmen müssen vom Bund getragen werden, weil die gesundheitsschädliche
Wirkung des PCB seit 40 oder 50 Jahren bekannt ist und vom Bund keinerlei
wirksame Gegenmaßnahmen eingeleitet wurden.
Besonders fraglich
sind die Investitionen in „bezahlbaren Wohnraum“. Mit diesem Gummibegriff wird
seit Jahren operiert und die Öffentlichkeit in die Irre geführt. Denn selbst
wenn nach dem Esslinger Wohnraumversorgungskonzept gebaut wird, liegen die
Mieten zwischen 11 und 14 € pro Quadratmeter und meist erhält die Stadt nur mittelbare
Belegungsrechte, sodass diejenigen, die die Wohnungen am dringendsten brauchen
dort gar nicht einziehen werden.
Zu den TOP 5
Investitionsprojekten zählt der Sportpark Weil mit 5,3 Mio. €. Diese 5,3 Mio. € werden letztlich nur
ausgegeben, damit das VFL – Post Gelände zubetoniert werden und der Investor
sich eine Goldene Nase verdienen kann. Für ein paar Belegungsrechte wird die grüne
Lunge der PLV und die wichtigste Freizeit, Sport und Bewegungsfläche der PLV
zerstört. Wir freuen uns, dass sich inzwischen auch der Bürgerausschuss PLV
gegen die Bebauung des VFL Post Sportplatzes ausspricht.
Für die Verlagerung
der Stadtwerke sind 4,2 Mio geplant. Das wäre dann sinnvoll wenn hier ausschließlich
Sozialwohnungen mit max 7€ Miete pro Quadratmeter entstehen würden, zumal auf
dem bisherigen Gelände der Weststadt keine einzige Sozialwohnung gebaut wurde.
900 000 € sind für
die Arrondierung des Karstadtareals vorgesehen. Hier gehört der Investor zur Kasse
gebeten und am besten enteignet wegen Nichteinhaltung des vertraglich
vereinbarten Baubeginns. Für den Investor ist das Gelände ein reines Spekulationsobjekt. Die geplanten
34 Läden würden den Esslinger Einzelhandel weiter ruinieren. Auch hier gehören
ausschließlich Sozialwohnungen her, gebaut in städtischer Hand.
3.3 Mio. sollen für
Straßenbau und Verkehrsausstattung am Nürk Areal ausgegeben werden. Eine
Investition für die kostenlose Verkehrsanbindung für Lidls Microappartements
und Ladenfläche. FÜR ist
gegen den Abriss des bestehenden, mit Architektur-Preis ausgezeichneten
Hauptgebäudes mit 2 Arztpraxen, Fitnessstudio und großer Verkaufsfläche. Zumal
zahlreiche teure Microappartements geplant sind und im Gegenzug so gut wie
keinerlei sozialer Wohnungsraum vorgesehen ist.
Schließlich sind erneut
mindestens 1,2 Mio. zusätzliche Erschließungskosten für die Zerstörung der
Frischluftschneise Greut vorgesehen. Konkret für die Eidechsenjagd und den vom
Regierungspräsidium angeordneten Überschwemmungsschutz. Wir
sind sprachlos und empört, mit welcher Penetranz die Bebauung des Greut gegen
den Willen der Anwohner, der Bürgerausschüsse RSKN und Innenstadt und breiter
Kreise der Bevölkerung durchgedrückt wird. All das wird uns als Investition in
bezahlbaren Wohnraum und Klimaschutz verkauft. Geht’s noch?
FÜR Esslingen fordert nach wie vor den sofortigen
Stopp der Bebauungsplanung im Greut und auf dem VFL Post Gelände.
Durch den Stopp der oben genannten 5 Baumaßnahmen
könnten problemlos 15 Millionen Euro eingespart werden.
FÜR Esslingen ist
der Meinung: Die wenigen verfügbaren Flächen müssen dem Bau von wirklich
preisgünstigen Wohnungen für Geringverdiener, Rentner, Alleinerziehende und
kinderreiche Familien vorbehalten werden. Ausschließlich sozialer Wohnungsbau
in der Palmstr, Tobias-Mayer-Str und Landhausstr. FÜR Esslingen fordert
garantiertes Bleiberecht für die bisherigen Mieter. Wir sind solidarisch mit
den Rondell Rebellen. Die Kündigungen müssen sofort zurückgenommen werden.
Es ist ein Skandal,
dass auf dem Boley Areal, dem Kaufmann Areal und dem Nürkareal hunderte von
völlig überteuerten Microappartements geplant werden. Das hat mit der Beschaffung von bezahlbarem
Wohnraum rein gar nichts zu tun. Hier könnten hunderte von preisgünstigen
Wohnungen entstehen für die Menschen, die diese am dringendsten brauchen.
Im Übrigen sind wir
nach wie vor für die Begrünung des ZOB Geländes und des Bahnhofsvorplatzes und
wo immer sonst möglich. Gleichzeitig unterstützen wir alle Forderungen nach
Aufstockung, Dachausbau, Bau von Stelzenhäusern auf Parkplätzen, also
Wohnungsbau ohne zusätzliche Flächenversiegelung.
3. Konsolidieren
aber nicht auf Kosten der Daseinsfürsorge.
Ab 2022 wird die
Verschuldung im Kernhaushalt wieder von ca 50 Mio. auf fast 100 Mio. ansteigen.
Reflexartig ertönt dann der Ruf nach Sparmaßnahmen natürlich auf Kosten der
Bevölkerung. Das ganze nennt sich diesmal Aufgabenkritik. Die soll sich laut
Herrn Rust mit der Frage befassen: „Was können wir uns in Zukunft nicht mehr leisten?
Was muss wegfallen?“ Natürlich haben wir
reichlich Vorschläge, was wir uns in Zukunft nicht mehr leisten können: Z.B.
Unnütze Gutachten, Überhöhte Bürgermeistergehälter, Klausurtagungen im Hotel in
Bad Boll etc. und wir haben reichlich Vorschläge zur Erhöhung der Einnahmen: Statt
Erhöhung der Grundsteuer, die auf die Mieten abgewälzt wird, fordern wir eine
Erhöhung des Gewerbesteuerhebesatzes um 20 auf 420 Punkte auf das Niveau von
Stuttgart. Das würde mehrere Millionen zusätzlich in die Stadtkasse bringen auch
ein Zinsmoratorium bzw. eine einfache Umschuldung würde jedes Jahr 2.5 Mio.
zusätzlich in der Stadtkasse belassen. Denn es ist ja nicht einzusehen, dass
die Banken sich das Geld für Null Zinsen bei der Zentralbank leihen können und
die Kommunen dann z.B. 2% Zinsen an die Banken bezahlen.
Hier braucht es wie
gesagt eine durchgreifende Reform der Gemeindefinanzierung, die die Kommunen in
die Lage versetzt eine umfassende Daseinsfürsorge mit Kitas, Schulen,
Krankenhäusern, Sport, Kultur und Bildungseinrichtungen zu gewährleisten. Dafür
müsste sich der Gemeinderat und insbesondere die Gemeinderäte der
Regierungsparteien stark machen, statt über die fehlenden Finanzmittel zu
jammern.
FÜR Esslingen stellt
im einzelnen folgende Anträge:
#
Investitionsvorhaben Sportpark Weil streichen VFL Post Platz erhalten
# Greut –
Bebauungspläne stoppen Erschließungskosten streichen
# Nürk/Lidl Areal
Ausgaben für Verkehrsmaßnahmen streichen
# Ausgaben
Arrondierung Karstadt Areal streichen
# Erhöhung der
Gewerbesteuer auf 420 Punkte statt
Grundsteuererhöhung
# Subventionierung
der Kindergärten “Giant Leap” und “Daimler” streichen.
# 0% Zinsen für die
Stadt durch Umschuldung bzw. Zinsmoratorium
# Verlagerung der
SWE stoppen
# Immobilie für ein 2. Frauenhaus zur Verfügung
stellen und Finanzierung mit dem Kreis klären
# Kein weiterer Ausverkauf von städtischen Immobilien
# Kostenloser öffentlicher Nahverkehr in Esslingen –
insbesondere kostenlose Schülertickets sofort!
# Forderungen des ADFC zum Radverkehr unterstützen
Priorität 1: Ausbau des Radschnellwegs in Absprache mit dem Land
# Unterstützung der Wertvollen Kulturarbeit des
Kommunalen Kinos mit den geforderten Zuschüssen
# Ausbildungsquote von 10 Prozent mehr PIA Plätze
für Erzieherinnen
# Massive Förderung von Erneuerbaren Energien
# PCB Belastung weiter bekämpfen
# Schadstoffbelastung der Luft weiter kontrollieren
und bekämpfen