Gemeinderatssitzung 22. November 2021
Rundheraus gesagt: Die Anträge und Forderungen von FÜR Esslingen in den vergangenen Jahren erweisen sich gerade auch aus heutiger Sicht als genau richtig. Sie hätten die jetzige Haushaltsmisere verhindert oder wenigstens abgemildert:
Allein der von uns und den Linken geforderte Verzicht auf den Bau der H.M. Schleyerbrücke hätte über 14 Millionen eingespart und die von Herrn Rust beklagten lästigen Abschreibungen von jährlich fast 180 000 Euro wären auch entfallen. Die derzeitige Sperrung der Brücke hat nach wie vor kaum negative Auswirkungen auf die Verkehrssituation in der Stadt.
Auch die von uns immer wieder geforderte Erhöhung des Gewerbesteuersatzes auf das Niveau von Stuttgart hätte über die Jahre schätzungsweise mindestens 6 bis 8 Mio Euro mehr eingebracht. Wir werden das erneut beantragen. Im Wahlkampf hieß es – besonders von Kanzlerkandidat Scholz – : „die starken Schultern müssen mehr tragen als die schwachen.“ Ja warum sorgen wir nicht dafür? – Zumal es hier im Gemeinderat die Mehrheiten dafür gäbe.
Im Haushaltsentwurf sind zahlreiche Planungs- und Erschließungskosten für Baugebiete enthalten. Beispielhaft die 100 000 € für die Bebauung des VFL Post Geländes, die sich aber in den nächsten Jahren beträchtlich aufsummieren. Hier ist aber jeder einzelne Euro der dafür ausgegeben wird einer zu viel! Denn die Bebauung ist gleichbedeutend mit der Zerstörung von Frischluftschneisen bzw. Frischluft-Entstehungsgebieten und mit der Zerstörung von Sport und Bewegungsflächen für die Jugend. Umgekehrt wird ein Schuh draus: Die Nichtbebauung der zahlreichen im Flächennutzungsplan enthaltenen Frischluftentstehungsgebiete wäre ein wichtiger Beitrag fürs Stadtklima und das soziale Leben, ohne dass dafür ein Cent ausgegeben werden müsste.
In dem Zusammenhang finden wir es empörend, dass penetrant an der Bebauung des Teilgeländes TV Hegensberg festgehalten. Wir beantragen den sofortigen Stopp der erneuten Bauleitplanung beim TV Hegensberg. Das hat jetzt schon schätzungsweise fast 20 000 € Prozesskosten verschlungen und würde weiterhin finanziell und personalmäßig den Haushalt belasten.
Überhaupt: Der Umweltschutz und die Einhaltung der städtischen Klimaziele wird in den Haushalsreden der Stadtverwaltung mit keinem Wort erwähnt. Und das angesichts der katastrophalen Entwicklung der Umweltkrise weltweit! Wir brauchen die Umstellung auf 100 % erneuerbare Energie in möglichst kurzer Zeit. Und damit das vor Ort in den Kommunen umgesetzt werden kann muss massive Unterstützung von Bund und Land eingefordert werden. Das gilt auch für all die anderen Aufgaben der Daseinsfürsorge. Bei den Vertretern der etablierten Parteien hier im Gemeinderat sehen wir keinerlei Kritik an der Finanzausstattung der Kommunen durch Bund und Länder. Stattdessen werden in vorauseilendem Gehorsam „Sparmaßnahmen“ „Aufgabenkritik“ „Konsolidierungsbeiträge“ und kritiklose Anpassung an angebliche Sachzwänge praktiziert. Wir schlagen vor, dass der ganze Gemeinderat von der neuen Bundesregierung eine grundlegende Reform der Gemeindefinanzen einfordert, sodass viel mehr Gelder für die Daseinsfürsorge vor Ort zur Verfügung steht.
-Zum Neckaruferpark: Natürlich ist FÜR Esslingen dafür bekannt, dass wir vehement für die Erhaltung und die Neuanlage von Grünflächen eintreten. Trotzdem oder gerade deswegen sind wir – auch angesichts der Kassenlage – für die Abspeckung der Pläne für den Neckaruferpark. Für insgesamt 5.3 Mio. € sind hier womöglich betonierte „Aktionsflächen“ und aufwendige Terrassen mit Außengastronomie und andere Baumaßnahmen vorgesehen. Mit dem Bau sollen teure Fremdfirmen beauftragt werden. Stattdessen schlagen wir den schrittweisen, behutsamen Ausbau des Geländes durch das städtische Grünflächenamt vor. Dabei können z.B. die verwilderten Kleingärten ruhig erhalten werden. Wir sind sicher dort fühlen sich Vögel, Eidechsen und Insekten pudelwohl. So könnte der größte Teil der 5,3 Millionen eingespart werden.
Stattdessen soll mit dem Geld endlich die mehrfach vorgeschlagene Radwegverbindung entlang der Bahngleise nach Mettingen gebaut werden. Die ganze Diskussion um den Radschnellweg entwickelt sich ja zur unendlichen Geschichte – Fertigstellung frühestens am Sankt Nimmerleinstag. Solang kann und will die Radfahrende Bevölkerung in Esslingen nicht warten. Deshalb Bau der direkten Radwegverbindung nach Mettingen jetzt! Das eingesparte Geld reicht außerdem locker für die wichtigsten Renovierungsarbeiten am Alicensteg. Die jüngsten Meldungen erweisen sich bei näherem Hinsehen als faules Ei: Es besteht der Verdacht, dass der Alicensteg auf jeden Fall abgerissen werden soll, ohne dass es ein verbindliche Zusage für den Neubau des Stegs als Teil des Radschnellwegs gibt.
Themenwechsel – Corona: Die 4. Welle brandet hoch. Aber weiterhin chaotisches Krisenmanagement der alten Regierung, der Ampelparteien und der Landesfürsten. Die etablierten Parteien folgen streng den Anweisungen der Unternehmerverbände: Alles bloß keinen Lockdown. Aber gerade das wäre in der jetzigen Situation nach Meinung vieler Wissenschaftler das richtige Mittel: „Ein kurzer, schlagkräftiger Lockdown kann geeignet sein, die vierte Welle zu brechen. Zwei Wochen Ferien für die Republik, volle Weiterzahlung von Löhnen und Gehältern sowie des Verdienstausfalls bei kleinen Selbstständigen auf Kosten der Konzerne!“
Außerdem in Esslingen besonders wichtig:
- Endlich Ausstattung der Klassenzimmer mit leistungsfähigen Luftfiltern!
- Kleinere Klassen, mehr Lehrer und Betreuer! Finanziert durch die Landesregierung. Die ist schließlich für die Bildung zuständig. Die Bildung und die Gesundheit unserer Jugendlichen muß oberste Priorität haben.
- Außerdem Kampf gegen den Pflegenotstand! Massenhafte Neueinstellungen beim Pflegepersonal, bessere Arbeitsbedingungen und deutliche Lohnerhöhungen!
Ein dramatischer Personalnotstand herrscht auch in der Verwaltung. Der soll mit den im Doppelhaushalt vorgesehenen Maßnahmen auf die Spitze getrieben werden.
Wir lehnen entschieden ab, dass Stellenneuschaffungen grundsätzlich ausgeschlossen werden und dass freiwerdende Stellen erst nach 6 Monaten wieder besetzt werden sollen, den das hat verheerende Auswirkung für die Bürger und das verbleibende Personal.
Viele Menschen aus der Bevölkerung wandten sich in ihrer Verzweiflung an uns. Es waren v. a. Ausländer, die Ausweise beantragen oder verlängern mussten und keinen Termin bekamen bzw. Termine mehrfach z. T. ohne Mitteilung, abgesagt wurden. Notsituationen wie z.B. schwerkranke Familienangehörige besuchen, konnten kaum bewältigt werden. Telefonische Anfragen mit langen Wartezeiten waren meist erfolglos oder reine Glückssache. 8 Monate Wartezeiten, derzeit z. B. im Sachgebiet Ausländeramt für den Antrag Aufnahme biometrischer Daten: Und 6 WochenWartezeit für eine einfache Meldebescheinigung. Wo leben wir eigentlich? Das sind keine Zustände, die wir dulden können.
Streng nach dem Vorbild des Daimlerfinanzchefs erfolgt die Haushaltskonsolidierung auf dem Rücken der Beschäftigten und der Bevölkerung
Eine Folge dieser Einsparungen ist die chronische Überlastung des Personals: Es gibt immer mehr Krankheitsfälle und Burn-out z.B. auch unter den Beschäftigten des Sachgebiets Ausländeramts. Hilferufe blieben ungehört. Zudem können sich viele Ausländer nicht wehren bzw. trauen sich nicht zu protestieren aus Angst vor Sanktionen.
Wir brauchen niedrigschwellige Dienstleistungen in der Verwaltung. Die Bevölkerung hat das Recht zeitnah und persönlich sowie unkompliziert die Dienste wertschätzend zu bekommen, die sie benötigt. Unabhängig davon ob jemand die Sprache beherrscht, ein Smartphone oder einen PC hat. Neben online-Terminvergabe ist es unbedingt notwendig, wie gewohnt ohne Termin als Laufkundschaft bedient zu werden.
Manchmal wird ins Feld geführt, es gäbe nicht genügend geeignete Bewerber. Aber gerade deshalb fordert FÜR Esslingen seit Jahren, dass die Zahl der Azubis bei der Stadt verdoppelt wird. D.H. eine Ausbildungsquote von 10 % statt derzeit 5%. Gerade die Pandemie hat gezeigt, dass der Mensch der alles entscheidende Faktor ist. Eine Dienstleistung ohne Menschen ist keine!
-Der berühmte russische Schriftsteller Maxim Gorki sagte einmal: „Es gibt viele Dinge auf der Welt, aber das wichtigste ist der Mensch!“ Das muss die Leitlinie für den Haushalt und die ganze Kommunalpolitik sein!