Personenwahlbündnis FÜR Esslingen
Rede zum Gesamthaushalt 2015
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Damen und Herren,
FÜR Esslingen dankt für das ausführliche Zahlenmaterial, das von der Verwaltung zur Verfügung gestellt wurde. Und auch für die offenen Worte von Finanzbürgermeister Schiebel bei der 1. Lesung, bei der er bezüglich des dünnen Eises, auf dem sich dieser Haushalt bewegt, kein Blatt vor den Mund nahm.
Trotzdem auch ein kritisches Wort zu seiner Einleitung:
Er stellte seine Haushaltsrede unter das Motto „Wir leben über unsere Verhältnisse“. FÜR Esslingen fragt: Wer ist eigentlich Wir? Ist das die Rentnerin mit 700 Euro Monatseinkommen, oder die Alleinerziehende mit Hartz 4 oder sind damit die Arbeiter und Angestellten gemeint? Tatsache ist, dass die Verschuldung der Stadt seit 2008 rasant gestiegen ist. Und zwar stieg der Schuldenstand von 2,2 Mio. € im Jahre 2008 bis zum Jahre 2012 auf 93,8 Mio. €, also in nur vier Jahren um über 90 Mio. € oder über 4263% (siehe Haushaltsplanentwurf S. 37).
Ursache der enormen Verschuldung sind nicht das „Anspruchsdenken“ der einfachen Bürger, sondern die Beschlüsse der Gemeinderatsmehrheit der etablierten Parteien. Das Geld wurde auch nicht für irgendwelche sozialen Wohltaten ausgegeben, sondern für unsinnige Großprojekte wie z.B. das Public-Privat-Patnership Projekt Neckarforum, das nach der Pleite der Betreibergesellschaft mit 44 Mio. aktuell mehr als die Hälfte des derzeitigen Schuldenstands ausmacht.
Der nächste Brocken waren die Millionen-Kosten für das Immobilienprojekt Güterbahnhof/neue Weststadt das zusammen mit Glasdach, Südtangente, Bahnhofsvorplatz ca 30 Mio. gekostet hat. Das war verbunden mit der Betonierung eines Bahngleises und mit der Zerstörung des umweltpolitisch wichtigen Güterbahnhofs: das heißt Verlagerung des Güterverkehrs auf die Straße, statt auf die Schiene. Wie wichtig das wäre zeigt die aktuelle Auseinandersetzung um das Daimler-Logistikzentrum. Von den versprochenen 600 Arbeitsplätzen in der Weststadt hört man immer weniger und der Investor RVE garantiert den Kapitalanlegern mindestens 10 Jahre hohe Mieten für die geplanten Wohnungen. Das einzige was dringend notwendig gewesen wäre – auch nach Ansicht des Mieterbunds – ist der Bau von Sozialwohnungen. Aber genau das ist nicht vorgesehen.
Besonders im Jahr 2004 wurde mit der Giftliste massiver Sozialabbau betrieben, um die Schuldenlasten auf die Bürger abzuwälzen. Trauriger Höhepunkt war der Plan der 50 prozentigen Erhöhung der Kitagebühren.
FÜR Esslingen war von Anfang an gegen den unnötigen und überteuerten Bau des Neckarforums und gegen das Projekt Gleis 1- Mein Vorgänger Herr Pabst und ich haben uns immer konsequent dagegen ausgesprochen. Im Grunde handelt es sich dabei um Dienstleistung für und Umverteilung an Banken, Bau, Bahn und Immobilienwirtschaft. Die Kosten übernimmt die Stadt, die Unternehmen streichen die Profite ein.
Nach dem gleichen Strickmuster läuft die geplante Verlagerung der Hochschule in die Weststadt. Die Stadt übernimmt die Kosten für die Altlastensanierung und für den Bau eines Parkhauses und trägt das finanzielle Risiko beim Verkauf der Flächen. Die Verluste übernimmt im Zweifelsfall die Stadt. Vor allem aber würde im Innenbereich der Stadt weiter verdichtet und wertvolle Grünflächen versiegelt – wieder für den Bau von Wohnungen für Besserverdienende.
Von Herrn Schiebel wird in der Haushaltsrede zur Erhöhung der Einnahmen der Flächennutzungsplan ins Spiel gebracht. Das ist in doppelter Hinsicht kurzsichtig. Zum einen: Die Flächen der Stadt werden verscherbelt, um den Haushalt zu decken, ohne dass etwas Neues geschaffen wird. Denn die Gebäude gehören dann ja anderen. Dass sollte man mit den Gütern der Stadt nicht machen! Zum anderen wegen der Klimafrage: Letzte Woche gingen in der Nähe von Genua bei sintflutartigen Regenfällen an einem Tag so viel Regen nieder wie sonst in einem ganzen Jahr! Heute meldet die Esslinger Zeitung 9 Tote bei Überschwemmungskatastrophen in Frankreich Italien und der Schweiz.
Wenn der Flächennutzungsplan verwirklicht wird, sind Überschwemmungen absehbar. Denn jeder Quadratmeter Grünfläche, wirkt wie ein Schwamm, der Feuchtigkeit aufnehmen kann, der außerdem das Klimakiller-Gas CO2 verbraucht und Sauerstoff erzeugt. Deshalb muss der Flächennutzungsplan komplett vom Tisch – ohne wenn und aber. Auch die schon beschlossenen 160 000 € für den Bürgerdialog sind sinnlos verschwendetes Geld, das sinnvoller für Kultur oder Soziales eingesetzt worden wäre. Die Bürger können ohne Professoren und andere Mediatoren mit Gemeinderat und Oberbürgermeister sprechen.
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, sehr geehrte Damen und Herren,
wenn FÜR Esslingen in seinen Anträgen z. B. kostenlose Kinder- und Schülerbetreuung fordert, dann taucht unweigerlich das Argument auf: „Völlig illusorisch-unbezahlbar“. Hier hilft vielleicht ein Blick auf den aktuellen Steuerskandal in Luxemburg. Dort wurden allein von Deutschen Unternehmen 160 Milliarden am Fiskus vorbeigeschleust. Mit diesem Geld ließen sich zum Beispiel sämtliche kommunalen Schulden in Deutschland auf einen Schlag zurückzahlen. Sie lagen am 31. Dezember 2013 bei 134 Milliarden Euro. Auch ein Blick in die Bilanzen der meisten Großunternehmen zeigt, dass diese im Geld schwimmen.
FÜR Esslingen fordert deshalb eine Erhöhung des Hebesatzes der Gewerbesteuer um 10 Punkte. Die Esslinger Gewerbesteuer ist im Bundesdurchschnitt relativ niedrig. Außerdem schlagen wir ein Zinsmoratorium gegenüber den Banken und Kreissparkassen, vor. Immerhin will die Stadt allein im nächsten Jahr 3 658 000 Euro für Zinsen ausgeben. Es ist nicht einzusehen, dass die Banken sich das Geld für 0,25 Prozent bei der Zentralbank holen und es dann für 3 oder mehr Prozent an die Kommunen mit entsprechendem Gewinn weiterverleihen.
Die Kommunen sind das schwächste Glied in der Kette der öffentlichen Haushalte. Die Zuweisungen an Finanzmitteln sinken ständig, während vor allem vom Bund den Kommunen ständig neue kostenträchtige Aufgaben zugewiesen werden. Z. B. der Bau von Kitas, Wohngeld für HARTZ 4-Empfänger. usw. Hier muss das Verursacherprinzip gelten! Das heißt, dass der Bund vollständig für die von ihm beschlossenen Aufgaben gerade stehen muss. Wir rufen deshalb dazu auf, dass der Oberbürgermeister und der Gemeinderat sich für eine bessere Finanzausstattung der Kommunen einsetzen sowie für das oben genannte Zinsmoratorium.
Im Sinne der Interessen der Bewohner unserer Stadt dürfen wir die Profite der Banken und Konzerne nicht als heilige Kühe betrachten. Wir brauchen eine Kommunalpolitik, die das Wohl von Mensch und Natur im Auge hat. Und die sich darüber mit den Bürgern der Stadt frei, und mit Offenheit gegenüber den Bestrebungen der Bevölkerung auseinandersetzt.
Hier unsere konkreten Anträge:
a) Zunächst: Anträge zur Streichung von Ausgaben im Sinne der Haushaltssicherung auch für spätere Zeiten:
1 Rückgängigmachung des Beschlusses des Bürgerdialogs und Streichung der restlichen geplanten Ausgaben dafür. Ebenso Streichung der 80 000 € für externe Beratung bei der Haushaltskonsolidierung.
2. Mit unserem Vorschlag eines Zinsmoratoriums würden allein im folgenden Jahr 3 658 800 Euro mehr in der Kasse sein.
3. Wir fordern: Sanierung der Hochschule statt Neubau, da der Neubau zu viele Risiken finanzieller Art in sich birgt und ein Zuschussdeal der Stadt für den Investor ist.
4. Streichung des Mitgliedsbeitrags der Stadt an die EZE von 50 000 €!
5. Keine Erhöhung der Friedhofsgebühren! Wer einen Angehörigen verliert, steht nicht nur betroffen und voll Trauer da, sondern muss auch ohne Erhöhung der Gebühren sehr hohe Kosten tragen. Die Stadt sollte diese Bürger nicht noch mehr belasten.
6. Ausstieg aus der finanziellen S-21 Unterstützung durch entsprechende Kürzung der Kreisumlage.
7. Das ist keine direkte Streichungsforderung an den Haushalt, aber eine Aufforderung sich auch für Senkung unnützer Ausgaben im Land einzusetzen: Der OB und GR mögen sich dafür einsetzen, dass die geplante Höhereingruppierung von Oberbürgermeistern, Bürgermeistern und anderen hoch eingruppierten städtischen Beamten nicht vom Land beschlossen wird. Pro Bürgermeister würden das mindestens 8000 Euro im Jahr mehr Ausgaben bedeuten, die für soziale und Bildungszwecke, bzw. für die Anhebung unterer Gehalts- und Lohngruppen dann nicht zur Verfügung stehen.
Das sind unsere ersten Sparvorschläge für den Haushalt, die vorgeschlagenen Einsparungen sind weit höher als die Kosten für die nun folgenden Anträge zur Aufnahme in den Haushalt:
1. Einrichtung bzw. Wiedereinrichtung der Schadstoffmessungen in Mettingen (bezüglich Gießereiabgasen) und an der Ringstraße zur Feinstaubmessung.
2. Kostenlose Kinder- und Schülerbetreuung. Einsatz von ausgebildeten Kräften in genügender Zahl dafür.
3. Kostenloser, direkter Schulbus von Berkheim nach Nellingen.
4. Kostenlose Bus- und Bahn-Schülerfahrkarten für alle Schüler –angesichts dessen, dass immer mehr Schüler auf Bus und Bahn angewiesen sind. Für Eltern, besonders wenn sie mehrere Kinder haben, ist das oft eine schwer zu finanzierende Ausgabe.
5. Zweite Halbtagsstelle (mindestens 50 Prozent) für den Verein „Frauen helfen Frauen“. Komplexe Probleme der Frauen erfordern mehr Zeit und mehr Personal. Die Möglichkeit von Onlineberatung ist ebenfalls notwendig, um auch junge Frauen zu erreichen. Derzeit beträgt die Wartezeit für eine Beratung in der Beratungsstelle zwei bis vier Wochen. Viel zu lang in schwierigen sogar gefährlichen Situationen in denen sich die Frauen befinden, die sich an die Beratungsstelle wenden.
6. Umsetzung des Plans des Jugendhauses in Mettingen
7. Statt Gebührenerhöhung für die Stadtbücherei kostenlose Nutzung für jedermann.
8. Leicht zugängliche und sichtbare Fahrradständer am Bahnhof (nicht im Keller).
9. Bänke und Bäume auf dem Bahnhofsvorplatz. Wir schließen uns hier der Forderung des Bürgerausschusses Stadtmitte an: Wer am Bahnhof warten muss, soll nicht gezwungen werden, ins Restaurant zu gehen.
10. Weitere Bänke im Merkelpark und in der Maille für unsere Jugendliche (aber auch für ältere Menschen) die sich dort treffen.
11. Erneuerung von beschädigten Tischtennisplatten im Stadtteil Stadtmitte.
12. Beleuchtung am Wegesrand Färbertörlesweg rechts von der Pliensaubrücke.
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, sehr geehrte Damen und Herren!
Diese Ausgabenanträge von FÜR Esslingen würden durch die von uns eingebrachten Streichungsanträge bzw. erst recht mit dem Zinsmoratorium und der Erhöhung des Gewerbesteuersatzes hereingeholt.
FÜR Esslingen kann dem Haushaltsentwurf in der jetzigen form nicht zustimmen. Unsere Zustimmung oder Ablehnung wird von der Richtung der Änderungen des Haushalts abhängen.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.